Essay

Das Titelbild der Webseite zeigt zwei Menschen, die an einer Spirale ziehen. Es handelt sich um den Entwurf einer Auftragsarbeit, die nicht ausgeführt wurde. Für mich aber steht die Spirale für die Arbeit des Bildhauers. Kreis und Wandel zugleich bewegt sie sich um eine Mitte, die ausgespart wird: Es ist die Verknüpfung von Form und Raum.

Blickt man auf die Arbeiten, die in einem halben Jahrhundert entstanden sind, ist man sprachlos. Das im handwerklichen Können gegründete disziplinierte Arbeiten hat unter Zurückdrängung der begrifflich-rationalen Wahrnehmung zu einer Sprache der modellierenden Hände geführt. Die Ablösung konventioneller Bedeutungen erzeugt eine Offenheit, in der neue Verhältnisse und Gleichgewichte entstehen, Aspekte, die in der Hast unseres Lebens unbeachtet bleiben. Ohne auf die verschiedenen Bildhauer – Mythen einzugehen, sei nur an die Schrift Plastik erinnert, die Johann Gottfried Herder 1770 schrieb. Darin stellt er fest, daß die Malerei fürs Auge, die Skulptur für die tastende Hand geschaffen sei. Der Gedanke an den biblischen Schöpfer, der Adam und Eva formt, liegt nah, ebenso wie die Erinnerung an die Bildnerei der Kinder, die mit Wachs, Brot und Ton Körper herstellen.

Plastiken zu machen sei einfach wie die Liebe, sagt Max Ernst, „Die Skulptur entsteht in einer Umarmung… Sie ist die einfachste, ursprünglichste Kunst.“

Es gibt drei Arten dieser Kunst zu begegnen:

  • sie beobachten, indem man möglichst alles, was wahrnehmbar ist, notiert,
  • oder sie betrachten, indem man unbefangen erwartet, was sie darbietet,
  • oder man kann ihrer innewerden, was über beobachten und betrachten hinaus geht, weil die Skulptur irgendwie mit einem spricht.

Jörg Henning Kokott